Standortfaktor Mobilität

Warum die Anbindung an den Verkehr den Preis von Immobilien beeinflusst.

Der Standort einer Liegenschaft und ihre Erreichbarkeit spielen bei vielen Entscheidungen eine Rolle. Wie gross sind die Distanzen zu den Zentren, zu Schulen, zum nächsten Autobahnanschluss oder zur Haltestelle des öffentlichen Verkehrs? Der Slogan «Lage, Lage, Lage», das Mantra in der Vermarktung von Immobilien, geht nicht zuletzt aus diesen Fragestellungen hervor.

Lagequalität in Bezug auf die Verkehrsanbindung bestimmt über die Attraktivität eines Gebäudes und damit auch über den Preis: Optimal erschlossene Immobilien sind wertvoller als solche an weniger gut erreichbaren Standorten. Doch die Bewertung, was genau eine gute Lage ist, verändert sich laufend. Die Nähe zu Einkaufsmöglichkeiten etwa, früher hoch gewichtet, hat wegen Onlineshopping an Bedeutung eingebüsst. Der Ausbau der Infrastruktur hat in den vergangenen Jahrzehnten dazu geführt, dass auch weiter von den Zentren entfernte Gemeinden als Wohn- und Arbeitsorte attraktiv wurden. Dies kurbelte sowohl die Mobilität als auch die Immobilienpreise in den betreffenden Regionen an. Stadtnahe Vororte sind dank der Anbindung durch neue S-Bahn-Linien Teil von Metropolitanräumen geworden.

ÖV-Anbindung ist wichtiger geworden

Bevölkerungswachstum und eine zunehmende Motorisierung legten aber auch die Kehrseite der Mobilität offen. Vor allem in den Agglomerationen und auf den Einfallachsen in die Zentren staut sich der Pendlerverkehr. Der Bahnverkehr stösst an seine Kapazitätsgrenzen. Trotzdem ist die Anbindung an den öffentlichen Verkehr für die Immobilienwirtschaft in den letzten Jahren wichtiger geworden.

Der Zusammenhang von Lage und Verkehr lässt sich auch monetär abbilden. Spezialisierte Firmen und die Analysten der Banken nutzen die Daten als Grundlage für die Bewertung von Liegenschaften. Die Zürcher Kantonalbank (ZKB) etwa befasst sich seit Jahren mit der Thematik von Verkehr und Preisbestimmung. Belegt hat sie etwa den Anstieg der Nachfrage beim Ausbau des S-Bahn-Netzes. Entlang neuer Strecken und bei Fahrplanverdichtungen steigen demnach die Preise markant. Herausgearbeitet hat die ZKB auch den direkten Zusammenhang der Reisezeit zwischen Wohn- und Arbeitsort und den Mieten bzw. Verkaufspreisen von Liegenschaften. Für ihr Modell nutzen die Bankökonomen unter anderem drei den Preis bestimmende Faktoren einer Liegenschaft: die Makrolage (mit Gemeindeeigenschaft, Steuerfuss, Erreichbarkeit), die Mikrolage (Quartiereigenschaft, Aussicht, Lärm usw.) und die Struktureigenschaften (Wohn- und Grundstücksfläche, Alter des Gebäudes, Bauweise, Anzahl Zimmer und Zustand).

Wohneigentümer pendeln weiter

Auch die Credit Suisse (CS) bildet in vielen ihrer Untersuchungen das Verhältnis von Preisen und Lage ab. In einer aktuellen Studie belegen die CS-Ökonomen den Zusammenhang zwischen Zentrumsdistanz und Immobilienpreisen sowie den Eigentumsverhältnissen entlang der Autobahn A1. Im Pendlerverhalten zeige sich, dass Wohneigentümer weitere Arbeitswege in Kauf nehmen, obwohl auch Mieter mit zunehmender Distanz weniger Miete zahlen. Dieser Kostenersparnis stellt der Haushalt seine persönlichen Präferenzen sowie die monetären und zeitlichen Kosten des Pendelns gegenüber.

Am längsten ist der Arbeitsweg von Einfamilienhausbesitzern. Am Beispiel von Zürich zeigt die CS, dass nur knapp ein Drittel den Arbeitsplatz innert 30 Minuten erreicht, aber 38 Prozent der Pendler, die in einer Eigentumswohnung leben und 51 Prozent der Mieter. «Die Unterschiede zwischen den beiden Eigentumssegmenten sind auf die höheren Preise von Einfamilienhäusern und auf einen folglich grösseren Ausweichbedarf zurückzuführen.» Anders stellt sich die Situation für viele Beschäftigte ausserhalb der Zentren dar, wo Bauland eher bezahlbar ist. Auch in Erhebungen zur Präferenz von Eigenheimkäufern, so in der neusten «Wohntraumstudie», rangiert eine gute ÖV-Anbindung jeweils weit vorne. Für den Bau von Rendite- und Gewerbeliegenschaften gilt die Erreichbarkeit mit dem öffentlichen Verkehr als besonders wichtiges Mass der Standortqualität. Dabei ist gemäss der ZKB das Erreichbarkeitspotenzial eines Standorts umso höher, je mehr Personen diesen in kurzer Zeit erreichen können. Die höchsten Preise werden daher nicht nur für bahnhofsnahe Lagen, sondern auch an anderen verkehrsmässig gut angebundenen Bereichen ausserhalb der Stadt gezahlt.

Mobilität verändert sich

Für Investoren und Bauherrschaften, die Gebäude für eine Nutzungsperiode bis weit in die Zukunft planen müssen, ist daher ein Blick auf künftige Bedürfnisse unabdingbar. So zeigt sich schon heute, dass der private Besitz von Autos in den Städten weiter abnehmen wird, was weniger Parkplätze in Tiefgaragen und vor dem Haus bedingt. Dafür werden Abstellgelegenheiten für Velos und andere Kleinstfahrzeuge sowie Ladestationen für Elektromobile wichtiger.

Wird das selbstfahrende Auto die Lagequalitäten von Immobilien neu definieren? Auch wenn man nicht weiss, wann sich diese Technologie durchsetzen und ob sie überhaupt die heutigen Fahrzeuge ablösen wird, ist doch klar: Auch die Art, wie wir uns fortbewegen, verändert sich. Wenn morgen für viele Orte die Erreichbarkeit nicht mehr der limitierende Faktor ist, dürften auch die Preise für Lagen davon profitieren, die weiter draussen liegen und nicht oder nur suboptimal an den öffentlichen Verkehr angeschlossen sind.

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