Mehr Grün für mehr Wohlbefinden

Pflanzen sind nicht nur schön anzusehen, sie heben auch die Stimmung und sorgen für ein besseres Raumklima. Wie und warum Büro­bepflanzung den Wohlfühlfaktor und damit die Produktivität steigert, weiss Theresia Leuen­berger. Die Architektur­­soziologin plädiert für mehr Grün am Arbeitsplatz.

Grün beruhigt und gibt Kraft: Steckt wirklich etwas hinter solchen Aussagen, Frau Leuenberger?

Es gibt diverse Studien, die den positiven Einfluss einer natürlichen, grünen Umgebung auf das menschliche Wohlbefinden feststellen konnten. Eine Studie1 untersuchte zum Beispiel, wie sich der Ausblick aus einem Krankenhauszimmer auf das Befinden der Patienten auswirkte. Eine Gruppe blickte auf eine triste Hauswand, die andere auf einen Park. Bei den Patienten mit Blick ins Grüne gab es weniger Komplikationen nach einer Operation und der Genesungsprozess verlief schneller. Spätere Studien konnten diesen Effekt bestätigen, untersuchten aber noch differenzierter, welche Aspekte eine Rolle spielen. Die sogenannte ästhetische Qualität der grünen Umgebung ist das, was wir Menschen als positiv bewerten. Die ästhetische Qualität umfasst das Verhältnis zwischen har­monisch und chaotisch in dem, was der Betrachter sieht. Und genau das finden wir in der Natur.

Stellen wir deshalb Pflanzen am Arbeitsplatz auf?

Die ästhetischen Gründe spielen dabei sicherlich eine Rolle. Hauptsächlich geht es aber darum, dass wir Menschen uns noch bis vor 200 Jahren die meiste Zeit in der Natur aufhielten. Natur und Grün haben für uns positive Konnotationen. Natur scheint vielen Studien zufolge ein Wohlbefinden zu erzeugen. Die stressreduzierende Wirkung von Pflanzen konnte eindeutig belegt werden. Auch dazu gibt es eine Studie2, die beispielsweise untersuchte, wie sich eine natürliche im Vergleich zu einer urbanen Umgebung auf den Blutdruck und somit auf das Stresslevel auswirkt. Das Ergebnis: Ein Spaziergang in grüner Umgebung wirkte auf gestresste Probanden entspannender als einer in einem städtischen Umfeld. Erklärt wurde das damit, dass die Aufmerksamkeit in einem urbanen Kontext durch diverse Faktoren wie Verkehr, Orientierung und andere Ablenkungen stärker beansprucht wird. Die Erfahrungsdichte zieht die Aufmerksamkeit auf sich; man kann nicht einfach so flanieren. Psychologisch wird das mit der Attention Restoration Theory (Theorie zur Wiederherstellung der Aufmerksamkeits­fähigkeit) erklärt. Dieser Ansatz besagt, dass sich Menschen in einer natürlichen Umgebung mental besser erholen können. Dies ermöglicht wiederum eine höhere Aufmerksamkeit.

Das ist ein relevanter Aspekt für die Arbeit. Sehen Sie weitere Vorteile von Pflanzen und Grünanlagen in Arbeitsumgebungen?

Pflanzen erhöhen nachweislich die Luftqualität und haben somit auch physische Qualitäten. Bei einem hohen CO2-Gehalt in der Luft kann man sich schlechter konzentrieren. Je besser die Luftqualität, desto konzentrierter und produktiver ist man. Man wird auch seltener krank. Untersuchungen von Fehltagen zeigen, dass Pflanzen einen positiven Einfluss auf die Gesundheit am Arbeitsplatz haben. Es konnte nachgewiesen werden, dass Gesundheitsbeschwerden wie Kopfschmerzen, Schwindel oder Müdigkeit um 20 bis 25 Prozent abnahmen.

Die Präsenz von Pflanzen hat also Auswirkungen auf die Arbeitsleistung?

Pflanzen haben definitiv einen Einfluss auf die Produktivität. Sie absorbieren Schadstoffe und erhöhen den Feuchtigkeitsgehalt der Raumluft. Eine höhere Luftfeuchtigkeit bedeutet weniger Kopfschmerzen, Augentrockenheit und Müdigkeit. Es ist bekannt, dass Gebäude, die klimatisch nicht optimal eingestellt sind, Krankheiten und Unwohlsein begünstigen. Dieses Phänomen heisst «Sick-Building-Syndrom». Neben einem gesteigerten Wohlfühlfaktor erhöht sich die Produktivität aber auch durch die Möglichkeit, sich durch den Blick ins Grüne immer wieder zu erholen. Anschliessend ist man wieder aufmerksamer und macht weniger Fehler.

Spielen funktionale Aspekte wie Sichtschutz oder Geräuschminderung durch Pflanzen auch eine Rolle?

Das tun sie. In der Psychologie sprechen wir von akustischer und visueller Privatsphäre. Privatsphäre geht dabei in beide Richtungen: Ich kann andere weniger hören oder sehen, und die anderen können mich weniger hören oder sehen. Zum Thema Akustik und Pflanzen forschen wir derzeit. Gemeinsam mit dem Physiker Markus Ringger von der Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik FHNW und seinem Mitarbeiter Reddy Alemela sowie unserem Praxispartner, dem Start-up Oxygen at Work, untersuchen wir, ob und wie man Pflanzen aufgrund ihrer akustischen Wirkung gezielter einsetzen könnte. Erste Erkenntnisse zeigen, dass Pflanzen eine akustische Wirkung aufweisen. Eine mittelgrosse Pflanze wirkt etwa wie ein Quadratmeter Molton. Anstatt Büro­räume wie einst üblich durch Trennpaneele abzugrenzen, könnte der gezielte Einsatz von Pflanzen den Mehrwert bieten, dass Mitarbeitende es ruhiger haben und dennoch sehen können, was auf der anderen Seite geschieht. So kann man erkennen, ob man jemanden durch ein Gespräch stört – und umgekehrt.

Grüne Arbeitskollegen: Pflanzen am Arbeitsplatz haben zahlreiche positive Effekte.

Stichwort Zusammenarbeit: Wie wichtig sind begrünte Aussenräume wie Terrassen, Balkone und Innenhöfe für das Miteinander in einem Betrieb?

Da sich ja bereits die Aussicht auf Pflanzen aus dem Inneren des Gebäudes positiv auf Menschen auswirkt, stellen grüne Aussenräume ein wichtiges Wohlfühlelement dar. Für die Aufenthaltsqualität in grünen Aussenräumen lässt es sich ähnlich argumentieren wie im Innenraum. Aussen wie innen – Pflanzen schaffen ein angenehmes Ambiente: als Treffpunkte, aber auch zum Arbeiten. Man kann mit Pflanzen zum Beispiel hervorragend Nischen kreieren, in denen Gruppen oder kleine Teams zusammenarbeiten können.

Hat sich die Funktion solcher Grünzonen im Zuge von Corona verändert?

Es konnten bereits Hypothesen formuliert werden, in welche Richtung es geht. Nicht nur in Bezug auf Büro-, sondern auch auf Wohnräume und Homeoffice lässt sich sagen: Grüne Aussenräume gewinnen an Bedeutung. Es gilt grundsätzlich zu überlegen, welche Funktion ein Büro in Zukunft haben wird. Arbeitet man dort noch? Oder erledigt man seine Arbeit vorrangig zu Hause und trifft sich im Büro für Meetings und Ähnliches? In diesem Zusammenhang ist es vor allem für Begegnungszonen in Unternehmen sinnvoll, Lounges oder Coffee Corner mit Pflanzen zu bestücken, um das Büro attraktiver zu machen.

Abgesehen von Pflanzen: Welche weiteren Faktoren spielen für das Wohlbefinden und die Arbeitszufriedenheit von Mitarbeitenden eine Rolle?

Das kann man unter einem Nenner zusammenfassen: Die Arbeitsumgebung muss der Tätigkeit angepasst sein. Führt man eine Routinetätigkeit aus, muss man sich eventuell weniger konzentrieren. Hier kann es unterstützend sein, wenn man andere Leute sieht oder sogar hört. Muss man sich bei der Arbeit hingegen stark konzentrieren, bedarf es zumindest akustischer Privatsphäre. Es muss eine Passung zwischen der Ausstattung des Arbeitsplatzes, der jeweiligen Tätigkeit und der damit verbundenen mentalen Beanspruchung geben. Die richtige Ergonomie, angenehme Lichtverhältnisse und eine gute Akustik sind Grundvoraussetzungen.

Gibt es auch Gründe, die gegen Büropflanzen sprechen?

Bezogen auf die Forschung müsste man sagen: Nein. Auf so viele Aspekte haben Pflanzen einen positiven Effekt. Jedoch können, wie unser Forschungspartner angibt, einige wenige Ficus-Arten Allergien auslösen. Und wenn kein Tageslicht vorhanden ist, eignen sich Pflanzen logischerweise auch nicht. Die Vor­aussetzung sollte sein, dass sich jemand um sie kümmert. Die Verantwortlichkeiten der Pflege müssen geklärt sein.

Zudem erhöhen die grünen Arbeitskollegen nachweislich die Luftqualität und absorbieren Schadstoffe. All das trägt zu einem guten Klima bei, was wiederum die Konzentrationsfähigkeit erhöht.

Welche Pflanzen eignen sich fürs Büro? Und was sollte man bei der Auswahl und der Platzierung beachten?

Es gibt über 100 Pflanzenarten, die sich gut eignen und die man kombinieren kann. Verschiedene Variablen spielen dabei eine Rolle. Grundsätzlich muss die Pflanzenauswahl auf die bestehenden Lichtverhältnisse abgestimmt sein. Davon hängt auch die Platzierung der Pflanzen im Raum ab. Natürlich ist es auch eine ästhetische Frage. Idealerweise befin-den sich die Pflanzen in der Nähe der Personen, direkt am Arbeitsplatz. Sie sollten im Blick der Mitarbeitenden sein, um ihre positive Wirkung entfalten zu können.

Verraten Sie uns, welche Pflanzen Sie in Ihrem Büro haben?

Ich habe eine Orchidee, die ich als Geschenk bekommen habe. Eine Grünlilie – der Klassiker und gut für die Luftreinigung. Und eine Purpurtute. Von meinem Schreibtisch aus geniesse ich zudem den Ausblick auf einen grünen Hügel. Ich bin also konform mit den Studienergebnissen (lacht).

Die begrünte Aussenanlage des Geschäftshauses Quadrolith fungiert als Begegnungs- und Arbeitsort zugleich.
Foto: Zeljko Gataric Imhoff
Ulrich, R. S. (1984): View through a window may influence recovery from surgery
Hartig, T., Evans, G. W., Jamner, L. D., Davis, D. S., & Gärling, T. (2003): Tracking restoration in natural and urban field settings

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