Die Magie des Weltraums

Der Weltraum regt zum Träumen an. Seit einigen Jahren aber befindet sich die Raumfahrtindustrie in einem tiefgreifenden Umbruch. NewSpace schafft interessante Wirtschaftsmodelle und eröffnet neue Chancen. Inmitten dieser Umwälzungen befindet sich das Unternehmen Syderal Swiss AG. Mit seinem Weltraumzentrum will CEO Olivier Henin den grössten Hub der Schweiz aufbauen – in einem Gebäude der Alfred Müller AG in Neuenburg.

Seit Juli 2019 befindet sich der Sitz von Syderal Swiss in einem Neuenburger Bürogebäude der Alfred Müller AG. Es ist geplant, dort einen Space Hub aufzubauen. Was verbirgt sich hinter dem Begriff?

Die Idee des Space Hub ist aus der Entwicklung des Marktes und seinen Bedürfnissen entstanden. Heutzutage ist es nicht mehr möglich, sämtliche Fachkompetenzen in einem einzigen Unternehmen zu vereinen. Deshalb möchten wir die Kräfte bündeln und ein dynamisches Kompetenzzentrum für Weltraumthemen schaffen, das Synergien in Bezug auf Entwicklungen, Austausch, Ressourcen und Testeinrichtungen ermöglicht. Zusammen mit Orolia (Spectratime) – einem Hersteller hochpräziser Atomuhren – habe ich einen Ort gesucht, der uns dabei entgegenkommt. Die Idee eines Space Hub in Neuenburg schien interessant: Mit seiner reichhaltigen Industriekultur teilt der Kanton unseren Wunsch, neue Wirtschaftssektoren zu fördern, und unterstützt das Projekt.

Warum haben Sie das Puits-Godet-Gebäude der Alfred Müller AG als neuen Standort für Ihr Unternehmen gewählt?

Wir suchten nach einer Möglichkeit, zu expandieren und von modernen Dienstleistungen zu profitieren. Diese haben wir in den Büros der Alfred Müller AG klar gefunden. Wir müssen unser Wachstum steuern und andere Unternehmen aufnehmen können. Die Qualität des Gebäudes hat uns überzeugt. Es liegt nahe bei unseren alten Büros in Gals in einem industriellen Umfeld und bietet Flexibilität: Alle Kriterien waren erfüllt.

Wie gross ist das Interesse anderer Unternehmen?

Damit wir von staatlicher Unterstützung profitieren können, müssen mindestens zwei Unternehmen am Space Hub beteiligt sein. Aktuell sind es drei: Syderal Swiss, Orolia (Spectratime) und nanoTRONIC. Alle Unternehmen sind in der Elektronikindustrie tätig, und zwar vor allem für den NewSpace-Sektor. Sobald sich alle im Hub niedergelassen haben, wird ein Kompetenzzentrum mit 200 bis 250 Personen entstehen – im Elektronikbereich das grösste der Schweiz, wahrscheinlich sogar Europas.

Was macht Syderal genau?

Syderal Swiss entwickelt elektronische Ausrüstungen und Software für Satelliten. Unsere Lösungen ermöglichen es, die Datenverarbeitungskapazitäten zu erhöhen, damit die Informationen schneller zur Verfügung stehen. Die Schwierigkeit unseres Fachgebiets liegt darin, dass unsere Ausrüstungen unter äusserst widrigen Bedingungen bestehen müssen. Was auf der Erde funktioniert, funktioniert noch lange nicht im Weltall. Wir müssen garantieren, dass unsere Elektronik im Weltraum 10 bis 15 Jahre operativ ist.

Spielt die Schweiz eine besondere Rolle in der Raumfahrt?

Die Schweiz gehört zu den Gründungsmitgliedern der Europäischen Weltraumorganisation (ESA), der 22 Staaten angehören. Abgesehen vom Schweizer Qualitätsimage kann ihre Neutralität eine interessante Rolle spielen, insbesondere beim zukünftigen Schweizer Projekt Clean Space, das darauf abzielt, Trümmer aus dem Orbit zu holen. Diese Mission hat einen hohen ökologischen Stellenwert. Alle Akteure sind Teil des Konsortiums. Gerade hier ist die Neutralität sehr interessant, denn es ist schwer vorstellbar, dass Chinesen einst russische oder amerikanische Satelliten aus dem Weltraum holen werden. Das Projekt hat somit auch eine heikle und strategische Seite: Der Weltraum wird zur geopolitischen Herausforderung.

Sie haben von NewSpace gesprochen. Worum handelt es sich dabei genau?

In den vergangenen 20 oder 30 Jahren war die Raumfahrt in erster Linie eine militärische und strategische Angelegenheit. Heute besteht zusätzlich ein kommerzielles Interesse. Der Weltraum steht vor einem enormen Entwicklungsschub, denn auf der Erde wird eine immer schnellere Kommunikation benötigt. Bei NewSpace geht es um diese Entwicklung – mit Produkten, die kostengünstiger sind und eine kürzere Lebensdauer aufweisen. Es ist ein Weltmarkt, der uns neue Möglichkeiten eröffnet. Die Karten wurden neu gemischt, es gibt neue Positionen zu besetzen. Deshalb passt die Idee des Space Hub so gut in diese Strategie.

Syderal war an mehr als 50 erfolgreichen Missionen beteiligt, namentlich für Kunden wie die Nasa oder Airbus. Welche war am spannendsten?

Die InSight-Mission mit dem Ziel Mars. Es gibt nur zwei aktive irdische Geräte auf dem Mars – und eines davon ist unseres. Es handelt sich um ein Seismometer, das in Zusammenarbeit mit der französischen Weltraumagentur entwickelt wurde. Es misst die Aktivität im Untergrund des Mars und liefert neue wissenschaftliche Daten über das Innenleben des Planeten. Unser Gerät sammelt und überträgt diese Daten. Es war packend, die erfolgreiche Landung auf dem Mars zu verfolgen. Dies in der Konferenzschaltung mit den USA live zu erleben, war ein magischer Moment. Mit diesem Erfolg setzen wir unsere Serie von 50 Missionen ohne Ausfall fort.

«Vom ersten Kontakt an hatten wir es mit sehr verständnisvollen und lösungsorientierten Fachpersonen zu tun.»

Olivier Henin, CEO Syderal Swiss

Was schätzen Sie an Ihrer Vermieterin, der Alfred Müller AG, am meisten?

Vom ersten Kontakt an hatten wir es mit sehr verständnisvollen und lösungsorientierten Fachpersonen zu tun. Die Diskussionen über die Einrichtung der Büros waren eine echte Teamleistung. Die Verantwortlichen der Alfred Müller AG setzten alles daran, dass wir bei besten Bedingungen einziehen konnten. Sie wollten mit ihrem eigenen Netz von Bauunternehmen arbeiten, um die Qualität sicherzustellen, gaben uns aber ein Mitspracherecht bei den Offerten. Ausserdem boten sie uns Unterstützung bei den Investitionen an. Dass wir die Möglichkeit erhielten, die Investitionen in den Ausbau und insbesondere in den Reinraum zu teilen und gestaffelt zu bezahlen, war für uns ein Vorteil. Wir geniessen eine hervorragende Betreuung. Ich bin sehr zufrieden.

Ist eine Reise in den Weltraum für Sie ein persönlicher Traum?

Ich hatte niemals den Traum, in den Weltraum zu fliegen. Aber ich hatte schon immer Träume – und sie leider zu früh realisiert (lacht). Deshalb mein Ratschlag: Habt verrückte und unerreichbare Träume. Versucht, sie im Laufe des Lebens zu erreichen. Seid ehrgeizig. Seid verrückt. Eines Tages ist es vielleicht ganz normal, zum Mond oder zum Mars zu reisen.

«Eines Tages ist es vielleicht ganz normal, zum Mond oder zum Mars zu reisen.»

Olivier Henin, CEO Syderal Swiss

HOCHSPEZIALISIERT

Reinraum

Die Produktionsanlagen im Reinraum stellen eine besondere Herausforderung und ein Langzeitinvestment dar. Technisch gesehen ist der Reinraum nicht leicht umzusetzen, denn die Partikelkonzentration muss beherrscht werden, um das Eindringen, die Erzeugung und die Ansammlung von Partikeln im Inneren zu minimieren. Parameter wie Temperatur oder relativer Druck werden präzise gesteuert.

Syderal Swiss AG

Syderal Swiss entwickelt und produziert elektronische Ausrüstungen für Raumfahrtanwendungen. Das Unternehmen entstand 2003 aus Alcatel Space Switzerland. Heute beschäftigt es 70 Personen in der Schweiz und 20 in Polen (Danzig), davon 50 Prozent im Ingenieurbereich. Syderal Swiss bildet ihre Angestellten spezifisch für die Produktion im Raumfahrtbereich aus.

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